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Barbara Wiedemann
27. Januar 2018
Schönewolf Heel Kulturkirche Ost Köln GAG
Markus Schönewolf & Ernst-Martin Heel
23. Februar 2018

Im Gespräch mit Markus Melchers

„Das Besondere an meinem Angebot ist, rauszugehen zu den Leuten“
Es ist inzwischen guter Brauch, dass drei oder viermal im Jahr das „Philosophische Café“ in unserer KULTURKIRCHE OST gastiert, demnächst am 1. März 2018. Gastgeber Markus Melchers bezeichnet sich selbst als philosophischen Praktiker. Im Interview erklärt er, was darunter zu verstehen ist.

KULTURKIRCHE-OST.de: Glückwunsch zum 20-jährigen, Herr Melchers! Schon seit 1998 bieten Sie Ihre Dienste an. Als praktischer Philosoph, der sich auf den Weg macht und zu den Leuten kommt, entsprechen Sie offenbar einem Bedürfnis, das vor ihnen niemand so recht erkannt hat.

Markus Melchers: Ich habe damals tatsächlich nicht gedacht, dass das Konzept der Philosophischen Cafés so lange trägt. Ich bin mit Sinn auf Rädern, also einem mobilen Ansatz von Philosophie angetreten, um einen größtmöglichen Abstand zum therapeutischen Ansatz zu verdeutlichen. Ein Philosoph ist in meinen Augen kein Heiler, aber er kann helfen, die Dinge, die uns beschäftigen, genauer zu beschreiben und so besser verständlich zu machen. Jemand, der so etwas anbietet, muss sichtbar sein. So kam es zum Angebot der Philosophischen Cafés, die es bis heute mehr als 200 Mal gegeben hat. Geholfen hat natürlich, dass die Presse so schnell auf mich aufmerksam wurde, unter anderem haben Spiegel Online, die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit über mich berichtet.

 

KULTURKIRCHE-OST.de: Sie haben also – könnte man sagen – eine Marktlücke entdeckt.

Melchers: Ja, allerdings eine sehr kleine. Es gibt geschätzt rund 150 philosophische Praktiker in Deutschland, und gerade mal eine Handvoll kann davon leben. Das Besondere an meinem Angebot ist vor allem, es mobil zu machen, also raus zu gehen und zu den Leuten.

KULTURKIRCHE-OST.de: Warum suchen Menschen den Kontakt zu Ihnen?

Melchers: Das ist ganz unterschiedlich. Seit mehr als zwölf Jahren bin ich zum Beispiel als Dozent in der Andreas-Hermes-Akademie des Bundesverbands der deutschen Landwirte Teil der Fortbildung. Und ich unterrichte dort nicht: „Liebe Landwirte, Ihr macht alles richtig!“ Ich besuche Krankenhäuser und habe lange als Referent einer Akademie für Palliativmedizin gearbeitet, um mit Medizinern und Pflegekräften ethischen Fragen zu diskutieren. Manche Menschen kommen auch während oder nach einer Physiotherapie zu mir. Sie suchen eine Ergänzung, alternative Antworten auf ihre Fragen, Erklärungsansätze aus einer anderen Perspektive.

„Man muss zusehen, dass man Ethik so vermittelt, dass auch der nicht-religiöse Mensch damit umgehen kann. Dafür sind wir philosophischen Praktiker Experten.“

 

KULTURKIRCHE-OST.de: Am 1. März 2018 besprechen Sie ab 19 Uhr im Philosophischen Café in unserer KULTURKIRCHE OST am Rahmen der Ausstellung Lieder in Bildern die These: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ Weitere Themen 2018 sind „Was ist der Mensch?“ am 28.4. und „Was kann ich wissen?“ am 29.11. Was reizt Sie an solchen Fragen?

Melchers: Der Einfluss der großen Religionen schwindet, aber die existenziellen Fragen bleiben. Man muss zusehen, dass man Ethik so vermittelt, dass auch der nicht-religiöse Mensch damit umgehen kann. Dafür sind wir philosophischen Praktiker Experten. Aber ich konkurriere nicht mit Seelsorgern. Die können sich auf Gott beziehen, sie haben ritualisierte Formen, das Gebet, Liturgien und dergleichen. Es ist gut, dass es solche Formen gibt – beispielsweise, um Trauer zu bewältigen. Ich sehe Ethik als Disziplin, die das, was wir für Moral halten, untersucht. Wir tun in unserer Lebenspraxis vieles, ohne darüber nachzudenken. Ein Philosoph stellt die Frage, inwiefern alltägliche Handlungen zu rechtfertigen sind – gegen ein „Das haben wir schon immer so gemacht“.

„Im Philo-Café begegnen wir uns wie früher in den Salons.“

 

KULTURKIRCHE-OST.de: Wird in unserer Gegenwart generell zu wenig nachgedacht? Kommt das philosophische Denken zu kurz?

Melchers: Die Philosophie und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit hängen stark an Namen wie Richard David Precht oder Peter Sloterdijk. Die akademischen Philosophen nimmt die Öffentlichkeit meist als sehr kompliziert wahr. Mit meinem mobilen Ansatz habe ich, glaube ich, was getroffen. Das ist eine Denkart und Auftrittsart, die für einen Philosophen unüblich ist. Im Philosophischen Café wie in der KULTURKIRCHE OST bin ich ungeschützt: Ich kenne die Leute nicht, die kennen mich nicht. Das ist eine sehr offene Art des Denkens, ich habe kein Institut, keine bestimmte Lehre, der ich verpflichtet bin. Die Leute kriegen einfach Markus Melchers – so, wie er ist.

Im Philo-Café begegnen wir uns wie früher in den Salons. Das waren Räume, in denen man sich zum freien Gedankenaustausch traf und über zwei, drei Stunden mit anderen Menschen über ein Thema diskutierte. Wo gibt es so ein Zweck-ungebundenes gemeinsames Nachdenken heute noch?

KULTURKIRCHE-OST.de: Immerhin drei-, viermal im Jahr in unserer KULTURKIRCHE OST. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Melchers!

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