Anne Thoss

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Anne Thoss

Anne Thoss Kulturkirche Ost Köln
… UND IN DER FERNE LEISE
Ausstellung mit Objektkisten und Skulpturen von Anne Thoss

Öffnungszeiten: nach Vereinbarung unter Telefon 0221 2011 373 sowie am 16. und 30. Juli 2023 jeweils 13-18 Uhr

Vernissage: Samstag, 8. Juli 2023, um 19 Uhr
Einführung: Jürgen Kisters
Musik: Norman Kunz (Klavier)

Eintritt: frei


Wohin mit den Erinnerungen? Allen Menschen dürfte sich – bewusst oder unbewusst – von Zeit zu Zeit und immer wieder diese Frage stellen. Und viele von ihnen finden diese Antwort: ab damit in einen Karton, eine Kiste, einen Koffer. Denn Erinnerungen halten länger, wenn sie mit einem haptischen Gegenstand verknüpft sind – dem Erinnerungsstück. 

„… und in der Ferne leise“ hat die in Kleve lebende und arbeitende Künstlerin Anne Thoss ihre Ausstellung in unserer KULTURKIRCHE OST überschrieben. Denn genau da, selten nah, meist irgendwo versteckt und weit weg vom gegenwärtigen Geschehen bewahren wir sie auf, die aus dem Fluss unseres Lebens mehr oder minder zufällig herausgepickten Stücke, die vergangene Erlebnisse bezeugen – meist gute, manchmal schlechte – und sie allein durch ihre Existenz vor dem endgültigen Vergessen bewahren.

 

Aus dieser Praxis schöpft Anne Thoss ihre Kunst. „Objektkisten“ nennt sie ihre Arbeiten, die so mit Sicherheit keine andere Künstlerin auf dieser Welt herstellt. Seit 2014 fertigt sie ihre Erinnerungskunststücke aus ausrangierten Schließfachkassetten und überzieht sie zum Zwecke der Haltbarkeit, sicher aber auch der Verfremdung und der Annäherung an die üblicherweise vage Gestalt von Erinnerungen, mit mehreren Schichten transparenter Lacke und Harze.

„Da hängt viel Arbeit dran, an so einer Kiste“, sagt Thoss. Diese Arbeit ist einerseits praktischer Natur: Keine Schließfachkassette bleibt die Schließfachkassette, die sie mal war, allesamt durchlaufen die ehemaligen Schubladen einen aufwändigen Prozess, ehe sie von Wind und Wetter und tausend kleinen Handschlägen der Künstlerin ausreichend Patina angesetzt haben, um als Thoss’sche Objektkiste Ausstellungs- oder Sammlerwände zieren zu können.

Alleinstellungsmerkmal

Mit ihren Objektkisten hat Thoss etwas geschafft, wonach die meisten Künstler streben: ein Alleinstellungsmerkmal, im Businessdeutsch gern „USP“ (Unique Selling Point) genannt. Darauf wies in seiner Einführung zur Ausstellung auch der Kölner Kunstkritiker Jürgen Kisters hin: „Anne Thoss ist Autodidaktin, sie war nie auf einer Kunstakademie. So hat sie Lösungswege für ihre Themen gefunden, auf die ausgebildete Künstler wohl nie gekommen wären, weil sie stärker festgelegt sind auf das, was Künstler vermeintlich zu tun haben.“ 

Apropos Themen: Marginalien sind Thoss‘ Sache nicht. Ihr geht es um nichts weniger als das Große, Ganze. „Bevor ich 1996 freischaffende Künstlerin wurde, war ich Sozialarbeiterin“, sagt sie. „Da ist man einfach vorbelastet.“ Es geht um die Menscheit, ihre Existenz und ihr gefährdetes Fortbestehen, um die Verantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft, um Geschichtliches, Gegenwart und die notwendigen Umbrüche für eine lebenswerte Zukunft. Anknüpfungspunkte findet Thoss auch in ihrer eigenen Vita. Sie wuchs im Westen Deutschlands als Tochter eines Vaters auf, der aus Ostdeutschland stammte und dem Krieg und Mauerbau die Heimat geraubt hatten. „Grenzen und wie man sie überschreiten kann, das ist auch immer ein Thema von mir.“

Bei aller Einmaligkeit: Festnageln lassen will sich  Thoss nicht auf das ihr eigene künstlerische Sujet der Objektkisten. Jüngst deckte sie für eine Ausstellung „Die Tafel der Menschheitssünden“. Epoxitharz war auch diesmal wieder mit von der Partie, allerdings keine Bankschließfächer, sondern Teller auf einem nur vermeintlich festlich gedeckten Tisch. Womöglich fürs wirklich allerletzte Abendmahl? Die Gerichte jedenfalls tragen solch leckere Titel wie „Halbgefrorenes an Gletscherschmelze“ oder „Toter Fisch im Plastikstrudel“.

Von der Jury des Kunstwettbewerbs „Art Figura“ im sächsischen Schwarzenberg gab’s dafür den dritten Preis. Es war nicht die erste Auszeichnung für Anne Thoss, und ganz bestimmt auch nicht die letzte …

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