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7. Oktober 2017
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Museumsnacht Köln 2017
5. November 2017

Harald Oskar Nägeli

Ist das Kunst oder muss das weg?
Harald Oskar Nägeli, seit den 1970er Jahren als „Sprayer von Zürich“ weltbekannt, gilt als Urvater der Streetart-Bewegung. In seinem Schaffen, das zeigte seine Ausstellung in unserer KULTURKIRCHE OST, manifestiert sich die ewige Frage: Was ist eigentlich Kunst?

Wie mag sich wohl eine Hauswand fühlen, bevor Harald Oskar Nägeli sich ihrer angenommen hat? Nackt und bloß vermutlich, kahl und leer, so anonym wie alle Hauswände, die zusammen eine moderne Stadt ergeben. Bis Nägeli kommt und leichter Hand eins seiner schnakenartigen Wesen hinterlässt. Und plötzlich hat die Wand eine Gestalt und eine Geschichte, nicht selten auch einen Witz mit Pointe, über den die einen sich freuen, die anderen sich erregen können. Man spricht über die Wand, man streitet über sie, man kommt in Scharen, sie zu betrachten. Ehe Reinigungskräfte Putz auftragen und den Zauber beenden, damit die Wand keine Prominenz mehr ist, sondern das, was sie zu sein hat: eine stinknormale Wand, anonym wie alle anderen, nackt und bloß, kahl und leer.

 

Mehr als 1.000 Fotografien hat Wolfgang Spiller in seinem Archiv, sauber dokumentiert, allesamt einzig und allein aus Düsseldorf, wo Nägeli, 1939 in Zürich geboren, seit vielen Jahren lebt und lustvoll sein Unwesen treibt. Spiller hält fest, was sonst so flüchtig wäre wie die tiefen Trommelklänge, die Arturo Portugal in den weichen Hallraum der KULTURKIRCHE OST schickt. Nägeli selbst hat sich einen Percussionisten für die Vernissage gewünscht, und jetzt ist er nicht da, erkrankt am selben Tag. „Wirklich schade“, bedauert Dirk Kästel vom Gastgeber, der GAG Immobilien AG. Umso mehr, da er den Zuschauern ein Spektakel bieten wollte, wie nur Nägeli es bieten kann: „Er wollte live zeichnen. Deshalb habe wir hier extra leere Leinwände aufgestellt.“ Nicht, dass es eine Kirchenwand erwischt.

 

Nun muss Spiller Nägeli vertreten – ein Job, der ihm, so wirkt es jedenfalls, ein bisschen unangenehm ist. Er ist selbst der größte Bewunderer Nägelis und dessen charmantem Spiel mit der Anonymität des Streetartists, der sich vor dem Zugriff der Obrigkeit schützen muss. Gerne spielt Spiller es mit: „Ich kann hier nicht bestätigen, dass eine meiner Fotografien wirklich ein Bild von Nägeli zeigt“, sagt er augenzwinkernd. „Aber ich glaube schon, dass ich sie mittlerweile erkenne, trotz der vielen Nachahmer. Die haben so einen bestimmten Schwung in der Linienführung.“

Vor allem haben sie diesen gewissen Humor, der den kunterbunten Nametags, die allüberall in den Städten graue Bahnbrücken und Betonwände zieren, häufig fehlt: wie Nägelis Fußballspieler beispielsweise, der direkt neben einem Schild, das Fußballspielen ausdrücklich untersagt, gegen den Ball tritt; oder der Flamingo, der einen rankenden Efeu hinaufklettert, oder ein anderes Vogelvieh, das seine Krallen in Richtung eines Trafohäuschens ausstreckt – trotz Hochspannungswarnung!

Mit Witz gegen Menschenfeindlichkeit

Nägelis Kunst ist immer mehr gewesen als bloßer Protest. Sie setzt der Uniformität und Menschenfeindlichkeit des zeitgenössischen Städtebaus Kreativität, Witz und Wärme entgegen. Und insofern ist Nägeli auch immer im Recht, wenn er mal wieder – wie aktuell vor dem Züricher Bezirksgericht – der Sachbeschädigung angeklagt wird. „Kunst“, argumentiert er mit der Überzeugung des rechtschaffenen Künstlers, „kann niemals Sachbeschädigung sein.“ Sonst wär’s ja keine Kunst!

 

Bis zum 9. November 2017 sind Wolfgang Stillers Fotografien von Nägelis Stadtverschönerungen in der KULTURKIRCHE OST noch zu bestaunen, darüber hinaus auch Werke aus dem aktuellen Schaffen des Künstlers auf ganz normalen Trägermedien – Papier beispielsweise: mit kräftigem Strich gezeichnete Akte und mit wilder Geste eingefangene Momentaufnahmen jener „Urwolke“ aus Formen, denen Nägeli seit einigen Jahren nachspürt. All diese Bilder lassen sich übrigens erwerben (der Erlös dient verschiedenen sozialen Zwecken), rahmen und ganz konventionell hängen. Die Wand, der dieses widerfährt, wird es Ihnen danken. Ganz bestimmt.

Harald Oskar Nägeli auf Wikipedia 

 

Was gibt’s als nächstes in unserer KULTURKIRCHE OST? Schauen Sie doch mal in unseren Kalender!